Ich sitze in einer wunderbaren kleinen und feinen Geburtstagsrunde und während alle vorher zwischen Französisch, dem Schwitzer Dütsch und mir zu Liebe auch dem Hochdeutsch umhergezwitscht sind, pegelt sich die Sprache beim Essen passend zum Aufenthaltsort ein. Und das ist nun mal mitten in Frankreich.

Ich genieße die Kartoffeln mit dem flüssigen Käse und den leckeren Wein und nach dem ersten Schluck verstehe ich plötzlich etwas:

La vache - warte mal, ähm, le boef, der Ochs, la vache die Kuh,

                                fermez la port, die Tür mach zu.

Wo kommt DAS denn plötzlichlich her?

Ich trinke noch einen Schluck Wein und höre gerade noch Georg sagen:

"Da stand doch die Kuh plötzlich vor meiner Massagepraxis und ich sage zu ihr: Was willst du denn hier?"

"Na eine Ganzkörpermassage und sieh zu, dass die Verspannung im Rücken weggeht, sonst kann ich heute nicht mehr auf der Weide

stehen !"

Ich nehme schnell noch einen Schluck Wein und bin irritiert. Einmal darüber, dass ich plötzlich ALLES verstehe und dann natürlich, dass die Kuh sprechen kann. Aber beim Blick in die Runde nicken alle nur ganz interessiert und warten auf das, was dann passiert. Also lege ich das Ist-Ja-Ganz-NOrmal-Gesicht auf, so gut es geht zumindest. Und außerdem verstehe ich ja offiziell sowieso nichts.

Georg: "Ja, aber woher weißt du denn, dass ich Massagen anbiete?"

Die Kuh: "Na, bei Beatrice hat ein Flyer ausgelegen!"

Nun verschluckt sich Regula.

Sie hustet das verirrte Essensbröckchen aus der falschen Kehle und fragt mit noch etwas heißerer Stimme: "Die Kuh konnte LESEN?"

 

Aha. SOOOOOOOOOOOOOO normal ist das alles doch nicht. Ich lehne mich zurück, trinke vorsichtshalber noch einen Schluck, damit ja nicht der Übersetzungszauber verloren geht.

Georg: "Ja, da war ich auch ganz baff!"

Beatrice nestelt nervös an ihrer Serviette: "Hm, naja. Ich wollte es euch eigentlich gar nicht erzählen, damit mich keiner für verrückt erklärt. Aber ich habe meinen Kühen das Lesen beigebracht, um den Ablauf auf meinem Hof einfach zu optimieren."

 

Augenblicklich war es still, kein fröhliches Durcheinandergeschnatter mehr, kein Gabelkratzen, kein Gläserklirren - nur das Holz im Ofen machte knack, aber auch das leiser und verhaltener als vorher und fast entschuldigend.

Alle starrten Beatrice an und auch ich konnte mein Ist-JA-Alles-Ganz-Normal-Gesicht sein lassen.

"Ja, wisst ihr, auf dem Hof ist so viel Arbeit ... und ich habe gesehen, wie klug und wissbegierig die Kühe waren. Da entstand die Idee, ihnen Zettel zu schreiben, was und wann sie etwas zu tun hatten. Damit spare ich mir viele Wege und kann die Zeit für eine andere Arbeit nutzen..."

 

Silvana fragt mich: "Möchtest du noch etwas von dem Wein?"

Ich sage: "Nein danke, bei mir dreht sich schon alles. Ich muss erst einmal an die frische Luft!"

"Nimm mich mit!", sagt der Haushund Luke schwanzwedelnd, "Ich kriege alleine die Tür nicht auf..."